Ob im Operationssaal oder im Flugzeug-Cockpit: In Extremsituationen entscheidet eine präzise und effektive Kommunikation über Leben und Tod. Denn ungenaue Angaben oder Missverständnisse können fatale Folgen haben.
In der Softwareentwicklung ist es meist nicht ganz so dramatisch, doch sind es oftmals Kommunikationsprobleme, die dazu führen, dass das Resultat nicht optimal ist und dass die entwickelte Software nicht das macht, was der Kunde eigentlich braucht. Durch mangelhafte Kommunikation können also Fehler entstehen, die in der Folge höhere Aufwände für Wartung und Erweiterung der fertiggestellten Software nach sich ziehen.
Präzise Kommunikation wird häufig unterschätzt
Wenn Menschen miteinander kommunizieren, können Missverständnisse entstehen. Bei der Zusammenarbeit in Teams oder über Abteilungen hinweg kann dies zu Ineffizienz und Fehler führen. Insbesondere dann, wenn die beteiligten Personen unterschiedlich denken oder aus verschiedenen Branchen und Berufsgattungen kommen, ist eine verständliche, konkrete Kommunikation umso wichtiger.
In Softwareprojekten spielt die gute Kommunikation eine besonders wichtige Rolle. Raphael Meyer, Senior Software Engineer bei bbv, lotet im Workshop «Effective Communication» die Grenzen der effektiven Kommunikation aus. Was geschieht in Stresssituationen? Wie gelingt die Kommunikation auch, wenn die Bedingungen nicht optimal sind? Im Workshop wird aufgezeigt, wie wichtig eine präzise Kommunikation in Notsituationen ist und wie man seine eigenen Fähigkeiten verbessert, auch unter Stress effektiv und klar zu kommunizieren.
Simulation im Game
«Gerade in der Aviatik gibt es viele anschauliche Beispiele, wie die Kommunikation in Notsituationen scheitert», sagt Raphael Meyer. «Werden die strengen Kommunikationsabläufe nicht eingehalten und wird die Wortwahl nicht präzise so verwendet, wie es im Regelwerk steht, entstehen schnell Missverständnisse zwischen Cockpit und Tower.» Das Piloten-Jargon ist genau definiert und funktioniert nach strikten Regeln. Schnelle, einfache und klare Kommunikation ist nur dann möglich, wenn diese Regeln eingehalten werden. «Die Analyse eines PanAm-Flugs von 1977 zeigt beispielhaft auf, wie minimale Abweichungen in der Kommunikation fatale Folgen haben können», sagt Meyer. Das Unglück von Teneriffa hat eigentlich erst dazu geführt, dass im Flug-Funkverkehr striktere Regeln eingeführt und das Crew Resource Management erfunden worden sind. Die AF447 ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Kommunikation trotz intensivem Training in der Stresssituation versagt hat.
Neben der Theorie und den Beispielen aus dem Flugverkehr üben die Workshop-Teilnehmer die effektive Kommunikation auch in einer Labor-Situation – und zwar mit dem Game «Keep Talking and Nobody Explodes» mittels einer simulierten Extremsituation. Im Computerspiel geht es darum, die Kommunikation in Stresssituationen zu üben: Ein Mitspieler muss eine Bombe unter Anleitung der anderen Mitspieler entschärfen. Während der Entschärfer keine Kenntnisse zum Entschärfungsvorgang hat, haben die Berater alle Informationen in einem Dokument vor sich. Nun müssen die wissenden Mitspieler den unwissenden Mitspieler mündlich anleiten, damit dieser die virtuelle Bombe entschärfen kann. «Bei dieser Übung sehen wir, dass auf Anhieb meist nicht sachlich und konkret kommuniziert wird. Das Entschärfen gelingt kaum, wenn sich die Mitspieler nicht auf ein Protokoll, eine genaue Kommunikationsregel, einigen können», erklärt Raphael Meyer. Wenn alle dreinreden, funktioniert es nicht. In der geordneten Kommunikation beraten sich die wissenden Mitspieler, so dass ein «Sprecher» dem Entschärfer klar und unmissverständlich mitteilen kann, was zu tun ist.
Das Üben von Kommunikation in schwierigen Situationen zahlt sich im Alltag aus
Die Erfahrung im Spiel soll aufzeigen, wie schwierig eine klare und verständliche Kommunikation in Stresssituationen ist. Doch es reicht gemäss Raphael Meyer nicht aus, das theoretische Wissen anzueignen, um in der Hektik dieses Wissen abrufen zu können. «Es scheint so, dass man erst in einer Trockenübung in den sprichwörtlichen Hammer laufen muss, um zu erkennen, dass in Stresssituationen ganz klare Kommunikationsabläufe wichtig sind, die zuvor angeeignet werden müssen», sagt der Experte. Man muss wohl die Erfahrung des Kommunikationsversagens machen, um sich auf Extremsituationen vorzubereiten. «Die Erkenntnis, dass man unter Druck anders reagiert, als man eigentlich möchte, hat einen wertvollen Lerneffekt, der sich beim Pair Programmig, im Mob Programming oder in einer hitzigen Architekturdiskussion direkt auszahlt», sagt Meyer.
Der Experte
Raphael Meyer
Raphael Meyer ist Software-Ingenieur bei bbv mit über zehn Jahren Erfahrung in der Geräteentwicklung. Sein Fokus liegt auf der Entwicklung hochqualitativer Produkte, deshalb ist er auch in der Software Crafters Community aktiv, Mitorganisator der C++ Usergroup Zentralschweiz und Mentor des CoderDojo Luzern.